Stolpersteine für Rita und Richard Barmé
Zur Kaisereiche 101, früher Obere Rutenbeck 16
Hier in dieser Villa lebte bis Oktober 1938 die jüdische Familie Barmé: Benno und Dina (Dodi) Barmé mit den Kindern Rita und Richard, die 1923 bzw. 1924 geboren wurden. Benno Barmé hatte zusammen mit seinem Bruder Friedrich in den zwanziger und dreißiger Jahren metallverarbeitende Betriebe in Langenberg und Hohenlimburg geleitet. Die Barmés gehörten zu den stark assimilierten jüdisch-deutschen Familien, in denen die jüdische Religion keine bedeutende Rolle mehr spielte. Die Barmés wurden in die evangelische Kirche aufgenommen und die Kinder Rita und Richard am 15. März 1933 evangelisch-lutherisch getauft. Später wurden die Barmés Mitglieder im „Reichsverband nichtarischer Christen“ bzw. des Paulus-Bundes.
Dem Fabrikanten Barmé machten die nationalsozialistisch gewendeten Geschäftsfreunde und Institutionen schrittweise klar, dass im neuen Deutschland kein Platz mehr für „nicht-arische“ Unternehmer war. Barmé reagierte 1936 mit einer Neustrukturierung seiner Betriebe. Einen Teil des Hohenlimburger Werkes und das Grundstück verkaufte er an Hoesch, der andere Teil der Fertigung wurde nach Langenberg verlegt. Ab 1936 bereitete Barmé die Emigration seiner Familie vor und versuchte sein Vermögen im Ausland in Sicherheit zu bringen und die Geschäftsanteile seiner Betriebe zu verkaufen. Ein Verkauf, der in niederländischen Gulden abgewickelt werden sollte, und der die Rettung zumindest eines Teils des Verkaufserlöses ermöglicht hätte, wurde von „Geschäftsfreunden“ verhindert. Schließlich stieg der Verkaufsdruck massiv und die Geschäftsanteile mussten 1938 weit unter Wert, wie die Restituierungsbehörden nach dem Krieg urteilten, verkauft werden.
Benno und Dina Barmé kehrten im Sommer 1938 nicht mehr von einer Geschäftsreise in die USA zurück und ließen sich in den Niederlanden nieder. Die Kinder Rita und Richard Barmé, die zwischenzeitlich ein Internat in der Schweiz besucht hatten, siedelten ebenfalls in die Niederlande über. Benno Barmé gründete bereits Ende 1939 ein neues Metallunternehmen, dass die Produktion von Stangen aus einer Messing-Zinklegierung und aus Aluminium vorbereitete und die Familie konnte zunächst - auch durch die in die Niederlande geschmuggelten Wertgegenstände - gut leben.
Als aber die Wehrmacht am 10. Mai 1940 die Niederlande überfiel, gerieten die Barmés in große Gefahr. Am 2. Juli 1940 wurden allen Familienmitgliedern die deutsche Reichsangehörigkeit entzogen. Neben der Staatenlosigkeit bedeutet diese Maßnahme die automatische Enteignung aller im Deutschen Reich verbliebenen Besitz- und Vermögenswerte. Das galt insbesondere für die Erlöse aus dem Verkauf, die auf einem Sperrkonto lagen und später auch für das Wohnhaus, Gemälde und die gesamte Wohnungseinrichtung. Ab 1941 wurden die Lebensbedingungen für die Barmés immer prekärer. Benno Barmé, dessen neues Unternehmen aufgelöst wurde, musste sich nunmehr als Metall-Aufkäufer für eine deutsche Dienststelle durchschlagen. Die Kinder, konfrontiert mit den Judengesetzen und der beginnenden Verfolgung, politisierten sich.
Rita Barmé
Die 1942 19 jährige Rita Barmé engagierte sich im Widerstand und half jüdischen Underduikern, die sich den beginnenden Deportationen entziehen wollten. Bei dem Versuch eine jüdische Familie in die Schweiz zu bringen, wurde sie im Zug in der Nähe von Roosendaal verhaftet und am 10. Dezember 1942 nach Westerbork gebracht. Von dort aus wurde sie nur wenige Tage später in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und am 15. Dezember 1942 ermordet.
Richard Barmé
Richard Barmé beschloss im Juli 1942, gerade 18 Jahre alt, sich den niederländischen Streitkräften in England anzuschließen. Er verließ die Niederlande und gelangte, versteckt in einem Kohlezug, in die Schweiz, wo er zeitweise von den Schweizer Behörden interniert wurde, aber auch ein niederländisches Internat bis zum Abitur besuchte. Im Oktober 1943 ging die Reise weiter, mit zwei Freunden schlug er sich quer durch Europa nach Gibraltar durch, wo er dann eine Schiffspassage nach England erhielt. Am 16. März 1944 erreichte er endlich England. Er meldete sich bei beim Bureau Bijzondere Opdrachten und absolvierte eine Ausbildung zum Fallschirmspringer und Funker. In der Nacht von 1. auf den 2. November 1944 sprang er mit einem Sonderauftrag über den Niederlanden ab. Er schloss sich einer Kampfgruppe (KP) in Rotterdam an, und begann seine geheime Sendetätigkeit. Am 2. Februar 1945 wurde sein Sender aber in Rotterdam-Hillegersberg durch die deutsche Abwehr angepeilt und Barmé verhaftet. Er wurde im Gefängnis Oranjehotel in Scheveningen festgehalten und ausführlich verhört. Für einen Prozess fehlte den Deutschen die Zeit. Richard Barmé wurde am 8. März 1945 aus dem Gefängnis geholt und mit 37 anderen Widerstandskämpfern als Rache für den (missglückten) Anschlag auf den Höhereren SS- und Polizeiführer der besetzten Niederlande Hanns Rauter in den Dünen der Waalsdorpervlakte erschossen. Nach der Befreiung der Niederlande wurde Richard Barmé von der niederländischen und britischen Regierung für seinen Widerstandskampf hoch geehrt. Er ist u.a. Träger des „Bronzen Leeuw“. Seine sterblichen Überreste liegen nunmehr auf dem niederländischen Ehrenfriedhof in Loenen.
Die Eltern von Rita und Richard Barmé überlebten die Naziherrschaft in Theresienstadt. Nach einer Anzeige war Benno Barmé am 14. Januar 1943 und Dina Barmé am 23. Februar 1943 verhaftet worden und dem „Judenlager Westerbork als straffällige Juden zugeführt“ worden. Von Westerbork werden sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie den Krieg überlebten.
Sie kehrten nicht mehr nach Deutschland zurück und ließen sich zunächst in Amsterdam nieder. Nach dem Tod von Benno Barmé im Jahre 1960, siedelte Dina Barmé in die Schweiz über, wo sie am 15.9.2000 im Alter von 97 Jahren verstarb.